Samstag, 22. Oktober 2011

Eine verspätete Rezension

Arnold Stadler
Salvatore
S. Fischer Verlag 2008
ISBN 978-3-10-075124-9
222 Seiten, Euro 17,90


Vor einem halben Jahrhundert hat ein Kunsthistoriker mit dem schönen Namen J. A. Schmoll gen. Eisenwerth ein Buch herausgebracht über das „Unvollendete als künstlerische Form“. Daran musste Rabenai denken, als er Stadlers neues, sehr merkwürdiges Buch gelesen hatte. Eigentlich ist es nicht Halbes und nichts Ganzes, aber es hat seinen Reiz.

Es beginnt wie ein Roman über einen Mann, Salvatore, in norddeutscher Einsamkeit, der sich, weil es Christi Himmelfahrt und er katholisch ist, im Gemeindesaal einer Kirche Pasolinis Film „Il Vangelo secondo Matteo“ anschaut. Aus einer italienischen Familie stammend, ist es für ihn ein Wiedersehen mit der halben Verwandtschaft, die sich dem Filmemacher 1964 als Laiendarsteller zur Verfügung gestellt hatte. Doch letztlich sind es nicht die Tanten und Onkel, die ihn fesseln, es ist der Salvatore, der Heiland des verfilmten Mattheus-Evangeliums. Er sieht dessen Taten und Wunder, kann zwar nicht glauben, wird jedoch von einer großen Sehnsucht danach erfüllt.

Doch nun, vielleicht in der Hoffnung und löblichen Absicht, dass es dem Leser ähnlich ergehen möge wie dem Helden des ersten Buchdrittels, beginnt der Theologe Stadler, den Film, d. h. das Evangelium nachzuerzählen. Das macht den gefühlt längsten Teil des Buches aus. Wenn man den Bibeltext selbst kennt, ist das so richtig kurzweilig nicht. Das Original ist entschieden besser als das Stadlersche Regest.

Spannend wird das Buch erst wieder, wenn der Autor auf Caravaggios „Berufung des Matthäus“ zu sprechen kommt, ein Gemälde, das in der Römischen Kirche San Luigi dei Francesi hängt. So recht weiß man eigentlich nicht, wie das alles eigentlich noch mit unserem Kinobesucher zusammenhängt. Der ist inzwischen nämlich verdunstet. Doch dem Autor gelingt es nicht nur, seinen Lesern eines der schönsten italienischen Barockgemälde nahe zu bringen, er unternimmt aus gleich eine recht überzeugende ikonographische Neuinterpretation. Schade, dass der Verlag sich nicht dazu hat durchringen können, das Kunstwerk größer, auf besserem Papier und in Farbe abzubilden. Die zugesoßte Schwarzweißbriefmarke auf Seite 198 wird Caravaggio nicht gerecht. Und Stadlers dankeswerten Bemühungen auch nicht.

Rabenais Fazit: Verwirrendes Triptichon mit reizvollen Außenflügeln.

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