Dienstag, 27. Dezember 2011

Pawlow

Die Überschriften der Artikel auf der zweiten Seite der FAZ vom heutigen 27. Dezember:

--- "Anschläge auf Kirchen in Nigeria"
--- "Rebellenführer in Darfur getötet"
--- "Tote bei Protesten im Jemen"
--- "Tote bei Selbstmordanschlag auf irakisches Innenministerium"
--- "Beobachter der Arabischen Liga verletzt"

Zu Weihnachten (!) hatte es bei Anschlägen von Islamisten auf christliche Kirchen (!) mehr als 40 (!) Todesopfer (!) gegeben. Einen Facebook-Beitrag zu diesem schrecklichen Ereignis kommentierte ich mit der Erwartung, dass ja nun wohl bald das gebetsmühlenartige "AbereigentlichistderIslamganztolerantundfriedfertig" losgehen würde. Und als hätte der legendäre Professor Pawlow (Ringring!) auf seine legendäre Klingel gedrückt, fing (bildlich gesprochen) der legendäre Hund sofort an zu sabbern:

Umgehend wurde ich politically correct zur Ordnung gerufen. Das könne man so nicht sagen. Und die Christen mit ihren Kreuzzügen... Und überhaupt wirke das wie "Antiislamhetze"...

Da ich nicht bereit bin, mit jemandem über die Kreuzzüge zu diskutieren, der offenbar weder Steven Runciman gelesen hat, noch realisieren will, dass diese Kriege schlappe 800, 900 Jahre zurückliegen, noch offenbar die Verzeihungsbitten des Papstes (JPII) in diesem Punkt zu akzeptieren vermag, habe ich hierauf nur mit "q.e.d." geantwortet.

Vielleicht leide ich ja an selektiver Wahrnehmung, aber mir scheint es schon so, als seien seit vielen Jahren an den allermeisten blutigen Konflikten, an Terroraktionen und ähnlichem maßgeblich Menschen beteiligt, die sich - ob irrig oder nicht - auf den Koran berufen.

Und wo bleibt da jeweils der vernehmliche (!) Aufschrei der Anständigen im Lager der Muslime? Wo die Distanzierung des sich sonst stets meldenden Herrn Erdogan? Wo bleibt der Mäßigungsappell aus Saudi Arabien oder von den wichtigen Islamgelehrten aus Kairo oder
Islamabad? Wo?

Nein, da kommt nichts. Kommen tut nur der pc-Reflex selbstvergessener nichtislamischer Gutmenschen.

Na dann: Ringring!

Samstag, 10. Dezember 2011

Milch?

Als ich heute Morgen, noch nicht so ganz wach, am Frühstückstisch vor mich hin dösde, fiel mein Blick auf die Milchpackung: ein Tetrapack mit länger haltbarer Kuhmilch samt aufgedruckter Physikexperimentanweisung für Kinder. Na super, dachte ich, der Tag fängt ja gleich pädagogisch wertvoll an. Dabei wollte ich mir doch eigentlich nur ein bisschen Milch in den Kaffee schwappen.

Da ich nun aber schon mal dabei war, den üppigen Aufdruck den Milchpackung zu meditieren, fiel mir der Markenname ins Auge: Mark Brandenburg. Heimat, freute ich mich! Ich war gerade damit beschäftigt entsprechende wohlige Gefühle zu evozieren, als ich den Firmennamen las: Friesland Campina. Ach, Norddeutschland also!Und die Adresse? Heilbronn. Heilbronn?? Ich war verwirrt und verschüttete etwas Kaffee.

Eigentlich hat es mich dann gar nicht mehr gewundert, als ich entdeckte, dass die Mark Brandenburg-Milch der Friesland-Firma aus Heilbronn in Köln abgefüllt worden sein soll.
Allerdings fragte ich mich, ob denn in der Papppackung wohl überhaupt wirklich echte Milch drin sei?

Meine zweite Tasse Kaffee habe ich jedenfalls vorsichtshalber schwarz getrunken.

Montag, 31. Oktober 2011

Dem stimmt der Berliner Diözesanratsvorsitzende Wolfgang Klose zu:

(gloria.tv/ KNA) Der evangelische Berliner Bischof Markus Dröge hat die Haltung von Papst Benedikt XVI. zur Ökumene kritisiert. In einem Beitrag für die «Evangelische Zeitung» (Hannover) schrieb er, «dass dieser Papst weder ein Konzept für die Ökumene mit den reformatorischen Kirchen hat noch eine Idee für die theologische Weiterarbeit, wie sein Vorgänger». Bei seinem Treffen mit Spitzenvertretern des Protestantismus im Erfurter Augustinerkloster sei Benedikt XVI. weder auf die Vorarbeit zum Amtsverständnis eingegangen, «noch hat er den Faden der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre aufgenommen oder die Chance ergriffen, die im gemeinsamen Taufverständnis verborgen liegt».

Dröge betonte, die Haltung des Papstes berühre nicht das evangelische Selbstverständnis. «Wir warten nicht auf ökumenische Geschenke - das war das päpstliche Missverständnis in Erfurt.» Die Protestanten erwarteten «vielmehr eine ernste Auseinandersetzung, welches Kirchenverständnis dem Evangelium Jesu Christi am besten entspricht». Der Bischof bezog sich damit auf die Aussage von Benedikt XVI. in der Erfurter Augustinerkirche, Erwartungen an ein «ökumenisches Gastgeschenk» im Rahmen seines Besuchs seien «ein politisches Missverständnis des Glaubens und der Ökumene».

Der ökumenische Streit müsse «nicht um des evangelischen Selbstverständnisses willen geführt werden, sondern um die rechte Auslegung des Evangeliums», erklärte Dröge. Streit sei nötig für die Frauenordination, für die Rechte der gleichgeschlechtlich Liebenden und für die synodale Gestalt der Kirche und für die evangelische Form der Einladung zum Abendmahl.

Dröge bewertete den Papstbesuch zugleich als «enttäuschend» für die Katholiken. «Kein Wort zur Reformbedürftigkeit ihrer Kirche oder zur Gewissensentscheidung derer, die mit ihrem evangelischen Partner dem Ruf Jesu zum gemeinsamen Abendmahl folgen wollen. Keine empathische Reaktion auf die Bitte des Bundespräsidenten, barmherzig mit gebrochenen Biografien umzugehen. Nichts Versöhnliches zu den Streitthemen und den Flügelkämpfen innerhalb der katholischen Kirche», begründete er seine Einschätzung. Dröge ist Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz.

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Rabenai stellen sich da zwei Fragen:

1. Warum ist der Herr Klose nicht längst auch de jure Protestant geworden?
2. Wann gesteht sich die Heilige Kirche endlich ein, dass "ökumenische" Gespräche mit Leuten wie Herrn Dröge völlig überflüssig sind?

Samstag, 22. Oktober 2011

Eine verspätete Rezension

Arnold Stadler
Salvatore
S. Fischer Verlag 2008
ISBN 978-3-10-075124-9
222 Seiten, Euro 17,90


Vor einem halben Jahrhundert hat ein Kunsthistoriker mit dem schönen Namen J. A. Schmoll gen. Eisenwerth ein Buch herausgebracht über das „Unvollendete als künstlerische Form“. Daran musste Rabenai denken, als er Stadlers neues, sehr merkwürdiges Buch gelesen hatte. Eigentlich ist es nicht Halbes und nichts Ganzes, aber es hat seinen Reiz.

Es beginnt wie ein Roman über einen Mann, Salvatore, in norddeutscher Einsamkeit, der sich, weil es Christi Himmelfahrt und er katholisch ist, im Gemeindesaal einer Kirche Pasolinis Film „Il Vangelo secondo Matteo“ anschaut. Aus einer italienischen Familie stammend, ist es für ihn ein Wiedersehen mit der halben Verwandtschaft, die sich dem Filmemacher 1964 als Laiendarsteller zur Verfügung gestellt hatte. Doch letztlich sind es nicht die Tanten und Onkel, die ihn fesseln, es ist der Salvatore, der Heiland des verfilmten Mattheus-Evangeliums. Er sieht dessen Taten und Wunder, kann zwar nicht glauben, wird jedoch von einer großen Sehnsucht danach erfüllt.

Doch nun, vielleicht in der Hoffnung und löblichen Absicht, dass es dem Leser ähnlich ergehen möge wie dem Helden des ersten Buchdrittels, beginnt der Theologe Stadler, den Film, d. h. das Evangelium nachzuerzählen. Das macht den gefühlt längsten Teil des Buches aus. Wenn man den Bibeltext selbst kennt, ist das so richtig kurzweilig nicht. Das Original ist entschieden besser als das Stadlersche Regest.

Spannend wird das Buch erst wieder, wenn der Autor auf Caravaggios „Berufung des Matthäus“ zu sprechen kommt, ein Gemälde, das in der Römischen Kirche San Luigi dei Francesi hängt. So recht weiß man eigentlich nicht, wie das alles eigentlich noch mit unserem Kinobesucher zusammenhängt. Der ist inzwischen nämlich verdunstet. Doch dem Autor gelingt es nicht nur, seinen Lesern eines der schönsten italienischen Barockgemälde nahe zu bringen, er unternimmt aus gleich eine recht überzeugende ikonographische Neuinterpretation. Schade, dass der Verlag sich nicht dazu hat durchringen können, das Kunstwerk größer, auf besserem Papier und in Farbe abzubilden. Die zugesoßte Schwarzweißbriefmarke auf Seite 198 wird Caravaggio nicht gerecht. Und Stadlers dankeswerten Bemühungen auch nicht.

Rabenais Fazit: Verwirrendes Triptichon mit reizvollen Außenflügeln.

Sonntag, 14. August 2011

Heute beim Bücherhöker auf einem Berliner Flohmarkt

(Rabenai hat den Band 2 einer schönen Messerklärung aus den 1920er Jahren gefunden. Vergeblich auf der Suche nach Band 1, spricht er unvorsichtigerweise sein Gegenüber an.)

- Entschuldigung, haben Sie hier zufällig irgendwo den dazugehörigen Band 1 gesehen?

-- Wasndas?

- Eine Messerklärung.

-- Katholisch? Achduscheiße. Sowasmiteurythmieoderso?

- Sie meinen Eucharistie?!

-- Nadiesachemiterverwandlung. Woausbrotfleischwird. Echtmakaber. Absolutevolksverdummung.

- Also ich finde, das kann man...

-- Außerdemisdaskannibalismus. Widerlich. Siemüssendochperverssein. Wersowasheutenochglaubtisblöde. (Geht weg.)

- ...?

-- (Kommt zurück.)Schwachkopf.

(Rabenai überlegt, ob er dem Mann eins auf die Nuss gibt, oder ob er für ihn betet. Wählt die zweite Möglichkeit.)

Mittwoch, 10. August 2011

Peter Altenberg, wunderbar ediert

Das Buch der Bücher von Peter Altenberg
Zusammengestellt von Karl Kraus
Herausgegeben von Rainer Gerlach
M. e. Essay von Wilhelm Genazino
3 Leinenbände, zus. 1006 Seiten
Wallstein Verlag 2009
ISBN 978-3-8353-0409-3
Euro 49,00




Was für ein Glücksfall! Altenberg ist vor 90 Jahren drüber gestorben, Kraus ist vor 70 Jahren drüber gestorben, der ehrenwerte Versuch der Verlage Löcker und Fischer ist vor 20 Jahren abgestorben – doch jetzt ist sie da, die (Beinahe-) Gesamtausgabe des Großmeisters der kleinen Form der Wiener Moderne.

Dank, Dank, Dank dem Göttinger Wallstein Verlag, der es unternommen hat, diesen Schatz der deutsch-österreichischen Literatur als gemeinsame Veröffentlichung der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und der verdienstvollen Wüstenrot Stiftung zu heben.

Der Fackel-Herausgeber und Altenberg-Verehrer Karl Kraus höchstselbst hatte sich 1928 darangemacht, diese nun wirklich repräsentative Auswahl des Fin de Siècle-Genies P. A. zusammenzustellen. Doch die Unmöglichkeit, sich mit dem Originalverlag über die Rechte zu einigen, hatte das Vorhaben scheitern lassen.

Jetzt aber wird das „Genie der Nichtigkeiten“ (Kafka) mit Macht wieder entdeckt. Nachdem kürzlich schon der Manesse Verlag eine von Burkhard Spinnen benachwortete Neuedition von „Wie ich es sehe“ lanciert hat, nun also bei Wallstein der fast ganze Altenberg (1859-1919) zum 150. Geburtstag.

Um bisherigen Altenberg-Ignoranten deutlich zu machen, was sie jetzt wieder wie ganz selbstverständlich zur Hand nehmen können, hier einige Zeilen, sozusagen als literarisches Amuse-Gueule:

Im Volksgarten
»Ich möchte einen blauen Ballon haben! Einen blauen Ballon möchte ich haben!«
»Da hast du einen blauen Ballon, Rosamunde!«
Man erklärte ihr nun, dass darinnen ein Gas sich befände, leichter als die atmosphärische Luft, infolgedessen etc. etc.
»Ich möchte ihn auslassen – – –« sagte sie einfach.
»Willst du ihn nicht lieber diesem armen Mäderl dort schenken?!?«
»Nein, ich will ihn auslassen – – –!«
Sie lässt den Ballon aus, sieht ihm nach, bis er verschwindet in den blauen Himmel.
»Tut es dir nun nicht leid, dass du ihn nicht dem armen Mäderl geschenkt hast?!?«
»Ja, ich hätte ihn lieber dem armen Mäderl geschenkt!«
»Da hast du einen andern blauen Ballon, schenke ihr diesen!«
»Nein, ich möchte den auch auslassen in den blauen Himmel!« – Sie thut es.
Man schenkt ihr einen dritten blauen Ballon.
Sie geht von selbst hin zu dem armen Mäderl, schenkt ihr diesen, sagt: »Du, lasse ihn aus!«
»Nein,« sagt das arme Mäderl, blickt den Ballon begeistert an.
Im Zimmer flog er an den Plafond, blieb drei Tage lang picken, wurde dunkler, schrumpfte ein, fiel tot herab als ein schwarzes Säckchen.
Da dachte das arme Mäderl: »Ich hätte ihn im Garten auslassen sollen, in den blauen Himmel, ich hätte ihm nachgeschaut, nachgeschaut – – –!«
Währenddessen erhielt das reiche Mäderl noch zehn Ballons und einmal kaufte ihr der Onkel Karl sogar alle dreißig Ballons auf einmal. Zwanzig ließ sie in den Himmel fliegen und zehn verschenkte sie an arme Kinder. Von da an hatten Ballons für sie überhaupt kein Interesse mehr.
»Die dummen Ballons – – –« sagte sie.
Und Tante Ida fand infolgedessen, dass sie für ihr Alter ziemlich vorgeschritten sei!
Das arme Mäderl träumte: »Ich hätte ihn auslassen sollen, in den blauen Himmel, ich hätte ihm nachgeschaut und nachgeschaut – – –!«

Hingetupft, leicht, verträumt.  – Bei Turgenjew nennt man so etwas „Gedicht in Prosa“.

Anhand von Kraus’ Arbeitsexemplaren hat Rainer Gerlach dessen Auswahl rekonstruiert. Aus seiner Feder stammen auch die instruktiven Anmerkungen und das kluge Nachwort mit der schönen Überschrift „Die Geburt des Schriftstellers Peter Altenberg aus dem Geist des Kaffeehauses“. Ein herrlicher Text, der es verdient hätte, nicht am Ende des dritten Bandes, sondern am Beginn des ersten, anstelle des geschmäcklerisch violett gedruckten Essays von Wilhelm Genazino, zu stehen.

Rabenais Fazit: Auch wenn er einige P. A.-Texte Kraus-halber schmerzlich vermissen muss („Ashantee“ z. B.), auch wenn er sich über die merkwürdige Fotoanordnung auf den Vorsätzen wundert: Die drei Bände sind großartig! Lars Rabenai wird bei nächster Gelegenheit, wenn er wieder in der American Bar im Kärntner Durchgang in Wien unter seinem Lieblingsbildnis des geschätzten Autors sitzt, einen Schmollis auf Kraus, Gerlach, Wallstein und Co. trinken.

Sonntag, 24. Juli 2011

"Die Tore der Welt" - Eine verspätete Rezension

Ken Follett
Die Tore der Welt
Roman
1294 Seiten
Lübbe Verlag 2008
ISBN 978-3-7857-2316-6
Euro 24,95

1990 war ein Glücksjahr für Leute, die historische Romane mögen: Ken Folletts Wälzer „Die Säulen der Erde“ war auf Deutsch erschienen, und man konnte herrlich über satte 1151 Seiten in die mittelalterliche Welt der Ritter, Bettler und Kathedralenbaumeister eintauchen. Rabenstein erinnert sich noch, wie er traurig wurde, als er die tausendste Seite erreicht hatte und ihm klar wurde, dass er sich auf der Zielgraden des Buches und seiner packenden Geschichte befand. Er würde Kingsbridge nun bald verlassen müssen.

2008 war ein Unglücksjahr für alle „Säulen“-Fans: Mit Ken Folletts „Die Tore der Welt“ war „die lang ersehnte Fortsetzung“ des 18 Jahre zuvor erschienenen Bestsellers angekündigt worden. Doch, abgesehen von derselben Location 200 Jahre später, von „Fortsetzung“ keine Spur.

War das „Säulen“-Buch ein reißender Fluss mit zahllosen Strudeln, gefahrvollen Untiefen und spektakulären Wasserfällen, der einen davontrug, den Atem nahm und zugleich erfrischte, ist das „Tore“-Buch ein endloses, träge vor sich hin dümpelndes Brackwasser, bei dem man sich zunehmend sehnlich wünscht, es möge sobald wie möglich im Nichts versickern. Doch das Ende – ein total abgeschmacktes Happy Ending – kommt erst nach zähen 1294 Seiten.

Der Held des Buches ist in diesem Fall eine Heldin, Caris, bei der während der Schilderung ihres Lebenslaufs kein Klischee, was Frauen in Mittelalterromanen betrifft, ausgelassen wird: Sie ist schön, klug, alle Konventionen sprengend, erfolgreiche Kauffrau, fortschrittliche Ärztin, sinnliche Geliebte, unorthodoxe Äbtissin, als Hexe verfolgte Unschuld und schließlich doch noch Partnerin jenes Merthin, der, anders als sein Vorfahre Jack Builder, keine Kirchen, sondern Brücken baut.

Alles in diesem Buch ist vorhersehbar. Spannung kommt kaum je auf. Und schließlich ist das Ganze, wenn überhaupt, katastrophal schlecht lektoriert. Einige Beispiele:

-          Für einen Adolphus wird ein Heiligenfest gefeiert, weil er Geburtstag hat. Heilige feiert man mit Ausnahme von Jesus, Maria und Johannes dem Täufer aber an ihren Sterbetagen.
-          Eine gewisse Petronilla wird mal als Mutter, mal als Tante bezeichnet.
-          Bergfried wird mit Burgfried verwechselt.
-          Die Hore Matutin taucht als „Matin“ auf.
-          Dass insbesondere in geistlicher Gesellschaft freitags vornehmlich Fisch und kein Fleisch gegessen wird, wird auf Seite 618 ebenso wenig beachtet wie der Umstand, dass im Klosterleben nach der Komplet (Seite 652) Nachtruhe, nicht aber Abendbrot angesagt ist. Und den auf Seite 1098 erwähnten abendlichen Imbiss am Karfreitag hätte es sicher sowieso nicht gegeben, ist das doch seit jeher ein strenger Fast- und Abstinenztag.
-          „Laudes“ ist der Plural von „Laus“, Lob, wird bei Follett aber durchweg im Singular gebraucht.
-          Wiederholt wird ein Bischof als „Eminenz“ angesprochen, was vornehmlich Kardinälen zusteht. „Exzellenz wäre korrekt.“

Die Liste ließe sich fortsetzen. Gewiss, letztlich alles nur Kleinigkeiten, aber die summieren sich und ärgern. Außerdem ist man von Ken Follett bessere Recherchen gewohnt.

Rabenais Fazit: Dieses Buch ist das ideale Geschenk für jemanden, den man nicht leiden kann. Es selbst zu lesen, sollte man sich ersparen.

Sonntag, 17. Juli 2011

A E I O U

Otto von Habsburg ist gestern in Wien in der Kapuzinergruft zu seiner letzten Ruhe gebettet worden. Nach einem Leben, das beinahe ein ganzes Jahrhundert durchschritten hat: Von der k. u. k. Monarchie über Zeiten des Exils während Demokratien (!) und Diktaturen bis hin zu einer Europäischen Union, die mitunter so tut, als sei sie eine Idee des 20. Jahrhunderts, und die dabei zumindest einige nicht ganz unwesentliche Aspekte des Heiligen Römischen Reiches geflissentlich übersieht. Aspekte, die untrennbar mit eben jenem Namen Habsburg bzw. Österreich verbunden sind. 

A E I O U - Austriae est imperare orbi universo. Oder wie der Wappenspruch der Habsburger auf deutsch heißt: Alls Erdreich ist Osterreich untertan. Gewiss, das ist längst Geschichte. Aber es bleibt eine große, verpflichtende Tradition, und diese hat Otto von Habsburg in Demut vor Gott auf sich genommen.

Was Demut vor Gott heißt, kann man erahnen, wenn man den Wortlaut der "Anklopfzeremonie" auf sich wirken lässt, die gestern in Wien, womöglich letztmalig, vor Betreten der Kapuzinergruft stattgefunden hat: 

(Zeremoniar klopft dreimal an die Pforte)

Kapuziner: „Wer begehrt Einlass?“

Zeremoniar: „Otto von Österreich, einst Kronprinz von Österreich-Ungarn, königlicher Prinz von Ungarn und Böhmen, von Dalmatien, Kroatien, Slawonien, Galizien, Lodomerien und Illyrien, Großherzog von Toskana und Krakau, Herzog von Lothringen, von Salzburg, Steyer, Kärnten, Krain und der Bukowina, Großfürst von Siebenbürgen, Markgraf von Mähren, Herzog von Ober- und Niederschlesien, von Modena, Parma, Piacenza und Guastalla, von Auschwitz und Zator, von Teschen, Friaul, Ragusa und Zara, gefürsteter Graf von Habsburg und Tirol, von Kyburg, Görz und Gradisca, Fürst von Trient und Brixen, Markgraf von Ober- und Niederlausitz und in Istrien, Graf von Hohenems, Feldkirch, Bregenz, Sonnenberg etc., Herr von Triest, von Cattaro und auf der Windischen Mark, Großwojwode der Wojwodschaft Serbien., etc., etc.“

Kapuziner: „Wir kennen ihn nicht!“

(Zeremoniar klopft dreimal an die Pforte)

Kapuziner: „Wer begehrt Einlass?“

Zeremoniar: „Dr. Otto von Habsburg, Präsident und Ehrenpräsident der Paneuropa-Union, Mitglied und Alterspräsident des Europäischen Parlamentes, Ehrendoktor zahlreicher Universitäten und Ehrenbürger vieler Gemeinden in Mitteleuropa, Mitglied ehrwürdiger Akademien und Institute, Träger hoher und höchster staatlicher und kirchlicher Auszeichnungen, Orden und Ehrungen, die ihm verliehen wurden in Anerkennung seines jahrzehntelangen Kampfes für die Freiheit der Völker, für Recht und Gerechtigkeit.“

Kapuziner: „Wir kennen ihn nicht!“

(Zeremoniar klopft dreimal an die Pforte)

Kapuziner: „Wer begehrt Einlass?“

Zeremoniar: „Otto – ein sterblicher, sündiger Mensch!“

Kapuziner: „So komme er herein!“

Sonntag, 10. Juli 2011

Peter Gan

Richard Moering ist 1894 in Hamburg geboren worden und achtzig Jahre später dort gestorben. Doch sein Leben hat er über weite Strecken anderswo gelebt: in England, Frankreich, Spanien und abermals in Frankreich. Eines seiner Leben. Denn neben dem Juristen Dr. Moering gab es fast immer auch den Dichter Peter Gan. Und den gilt es wiederzuentdecken.

Gan gilt als schwer einzuordnen, und ich bin mir nicht sicher, ob man nicht zu kurz springt, wenn man ihn als lyrischen Humoristen in die Ahnenreihe Laurence Sterne, Jean Paul und Christian Morgenstern stellt. Doch wie diese steht auch Gan mit ironischen Vorbehalten seiner Zeit gegenüber, besitzt er ein gebrochenes Verhältnis zur Sprache, bedient er sich des Zitats und der Anspielung. Ganz unvergleichlich ist er allerdings, wenn sein melodischer Witz im Schreck verstummt und unvermittelt erkaltet.

Vor einiger Zeit hat Friedhelm Kemp die gesammelten Werke Gans im Auftrag der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung Darmstadt in drei voluminösen Bänden im Göttinger Wallstein Verlag herausgebracht. Sehr verdienstvoll, aber mit ihren beinahe 1.600 Seiten ist diese Edition wohl doch eher etwas für bereits fortgeschrittene Gan-Enthusiasten.

Ich hatte heute Mittag das Glück, auf einem Berliner Flohmarkt seine "Holunderflöte" zu entdecken. 1949 im Zürcher Atlantis-Verlag erschienen, bietet der Band auf gut 200 Seiten Lyrik aus der (fast noch) Vor-Gruppe47-Epoche. Kurz: Es macht Freude, sie zu lesen.

Besonderen Spaß macht dies in meiner Ausgabe, die nicht nur ein Widmungsexemplar von Peter Gan ist, sondern der auch noch ein persönlicher Brief und zwei handschriftliche Stichwortzettel für einen Vortrag des Autors beiliegen.

Das Ganze hat mich 50 Cent gekostet. Glück muss man haben!

Hier nun noch eine Kostprobe - speziell für die letzten vielleicht noch verbliebenen Raucher; der Fünfzeiler nennt sich nämlich "Die Zigarette spricht":

Trinke, Mund, mein kurzes Leben!
Wandle alle Glut in Rauch!
Gerne lasse ich mein Leben,
tut Dein Mund doch, liebes Leben,
Dein Mund meinen letzten Hauch!

Freitag, 8. Juli 2011

Das Gegenteil von "Gut gemacht" ist "Gut gemeint"

Das aus meiner Sicht sehr ehrenwerte "Forum deutscher Katholiken" trommelt zurzeit für eine Unterschriftensammlung, die Monika Grütters auffordert, ihr Bundestagsmandat niederzulegen.

Der Grund: Die CDU-Frau hatte eine vermutete "Nähe" des künftigen Berliner Erzbischofs Dr. Rainer Maria Woelki zu der 1928 vom heiligen Josemaria Escriva gegründeten katholischen Personalprälatur Opus Dei als "verheerend" disqualifiziert.

Ich halte die gut gemeinte Aktion des FdK-Vorsitzenden und Nicht-Opus-Dei-Mannes Professor Gindert für ausgesprochen kontraproduktiv.

Erstens ist sie aller Wahrscheinlichkeit nach eh zum Scheitern verurteilt. Zweitens aber, und das wäre schlimmer, sollte sie wider Erwarten Erfolg haben, könnte sich Grütters als Märtyrerin und Opfer des "mächtigen" Opus Dei gerieren. Und das würde dem Werk mehr als das Dummgerede einer CDU-Hinterbänklerin schaden.

Besser wäre es aus meiner Sicht, wenn das Opus Dei jetzt der Stier bzw. ('tschuldigung) die Kuh bei den Hörnern packte, und sie zu einem Infogespräch und Kennenlerntermin einlüde.

Donnerstag, 7. Juli 2011

Nie wieder "Nie wieder!"

Heute hat sich die Bundesrepublik Deutschland, der Staat, in dem ich geboren worden bin und den ich achtete und liebte, als in nie für möglich gehaltener Weise "traditionsbewusst" entpuppt.

Eigentlich hätte mir schon vor Jahren etwas schwanen können, als man damit begonnen hat, die Bundeswehr, unsere Defensivarmee zu missbrauchen, um "unsere Sicherheit am Hindukusch zu verteidigen". Trotz der entsetzlichen Erfahrung zweier katastrophaler Weltkriege in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und eines 1945 sicher ernst gemeinten "Nie wieder!", schickte man deutsche Soldaten in einen (fremden) Krieg. Dort töten und sterben sie nun, unsere "Bürger in Uniform".

Nachdem man dieses Tabu gebrochen hatte, konnte sich unser Parlament nun einem anderen "no go" zuwenden, das mit seinen 66 Jahren offenbar reif für das Altenteil war: die Selektion lebensunwerten Lebens.

Nichts anderes ist PID, eine für 97 Prozent der untersuchten befruchteten menschlichen Eizellen sowieso tödliche Untersuchung, mithilfe derer festgestellt werden soll, ob das später ausgetragene Kind z. B. mongoloid sein könnte. Falls ja: weg damit.

Es ist absehbar, dass ein Parlament, das trotz schlimmster diesbezüglicher historischer Erfahrungen einen solchen den Lebensanfang betreffenden Eugenik-Beschuss fasst, sich irgendwann auch mit der Entsorgung hinfälliger Menschen an deren Lebensende "beschäftigen" wird.

Das "Nie wieder!" von 1945 ist Geschichte. Willkommen in der schönen neuen Welt!